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Posts Tagged ‘Sprachstile’

Coleman, James. „The Plain Style“ in College Composition and Communication. Vol 13/Nr. 4 (Dec 1962)

(1) Oft würde vergessen, dass der „plain style“, wie er als Ideal den Studierenden an den englischen Universitäten präsentiert wird, ein Stil, d.h. eine konventionelle Form ist. Er wird dagegen als einzige Ausdrucksmöglichkeit betrachtet, als erfolgreichste Form der Informationsdarstellung und erzählenden Prosa. Im Namen des „plain style“ werden jedoch systematisch anderen Ausdrucksformen negiert. Es gibt Gelegenheiten, bei denen ein Bedarf an den expressiven Möglichkeiten der Sprache besteht. Zudem ist der Stil nicht für jeden Rednertyp geeignet. (2) Was wird mit „plain style“ bezeichnet? Seine Eigenart bleibt unbestimmbar, da er vor allem durch das Fehlen expressiver Stilmittel gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zu Beispielen aus der Geschichte der englischen Literaturprosa verzichtet er auf rhetorische Figuren, syntaktische Gestaltung, Wiederholungen oder einen Sprachduktus. Er ist arm, gilt aber als ehrlich, alltäglich und transparent. Der Autor bezweifelt jedoch, dass ein klarer und angenehmer Schreibstil allein durch eine Reduzierung auf eine Norm, die von jederman beherrschbar ist, erzielt werden kann. Der „plaine style“ hat eine lange Geschichte, die von Ablehnung gegenüber anderen Prosastilen geprägt ist. Religiöse Reformer hielten ihn für die beste Möglichkeit christliche Bescheidenheit auszudrücken . Wyclif (15. Jahrhundert) betrachtete jedwede Sprachkunst als bloßes Spiel. Die religiöse Erfahrung bedürfe im Protestantismus, so einige Reformer später, keiner Kunst. (3) Ebenso wurde diesem Stil ein hoher wissenschaftlicher Wert zugesprochen.

But this writing has a verbal surface and the plain surface is poor stuff, impersonal or anonymous, always discreet as if discretion were the better part of the squalor.

Anhänger des „plaine style“ richten gegen rhetorische Figuren oder Nachahmungen von Cicero. Statt dessen galt am Beginn des 17. Jahrhunderts Seneca als Vorbild. Insbesondere Francis Bacon tritt für einen direkten und einfachen Stil auf der Suche nach einer Sprache für die Wissenschaft ein. Ähnlich forderte die Royal Society of England:

a close, naked, natural way of speaking, positive expressions, clear sense, a natural easiness, bringing all things as near to the Mathematical plainness as you can.

(4) Dahinter steht die Vorstellung, dass der Schreibende unaffektierte Ernsthaftigkeit verkörpern müsse. Es wird z.B. geschrieben, dass man sich bei einer Sache unsicher ist, aber man zeigt die Unsicherheit nicht. Die gängige Prosa ist weder zögerlich, noch allzu sinnlich. Der Beitrag betrachtet nun Gulliver’s Travels als Beispiel genauer. (5) Der „plain style“ verzichtet nicht auf Visualität, aber er beschränkt die visuelle Erfahrung auf elementare Objekteigenschaften, wie Größe und geometrische Form. Die wahrgenommenen Objekte werden in ihrer Beziehung zu Gulliver, aber selten im Verhältnis zum Setting, z.B. als bewegliche Objekte, dargestellt. Swift beschränkt sich auf visuelle Sinneseindrücke. Geräusche werden nicht erwähnt, allenfalls Gerüche. Die geometrische und mathematische Schilderung des Geschehens akzentuiere zudem eher intellektuell wahrnehmbare Eigenschaften. Gulliver ist mehr über die Größe einer weiblichen Riesenbrust, als über die Brust an sich schockiert. (6) Die Handlung wird trocken und nüchtern beschrieben. Gulliver ist selten involviert. Er wird nie mitgerissen, von dem, was um ihn herum passiert.

The reader is forced to yield sense, sentiment, and his naturally discontinuous habit of thought and response while Swift stimulates his sense of order and reasonableness and acclimates him to the matter-of-factness which is the dominant tone.

Viele halten die Manipulation des Lesers, so dass er für Informationen und Gedanken empfindlich wird, für das höchste Ziel eines Schreibens. Expressivität sorge nur für Probleme. Sie habe jedoch ihre Funktion überall dort, wo Informationsvermittlung nicht im Zentrum stehe, z.B. bei einer Ermunterung.

At very least there is no excuse for impoverishing vocabulary by example, for encouraging drab, pseudoaccurate description or the thin, nude unfolding of average thinking. There is
no excuse for that impersonal, quick, high-probability, low-expectation prose which the schools have encouraged and which they justify by contributing courses in Speed Reading (Why not race through barren landscape?).

Stil gelingt es, die unmittelbaren Bedürfnisse der Situation zu transzendieren. Er ist zugleich ein Zeichen der Wertschätzung, das dem Geschehen nicht mit Gleichmacherei begegne.

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Orth, Eva-Maria. „Gesprächsstile in der Erzählliteratur der englischen Renaissance bei John Grange und Thomas Deloney“. in Dialog und Gesprächskultur in der Renaissance. Bodo Guthmüller (Hg.).2004

Der Beitrag widmet sich den oft vernachlässigten Prosatexten der englischen Renaissance. Die Autorin kritisiert die Kategorie des Realismus als Ansatz für die Bewertung der Prosa dieser Zeit. (229) Als Indiz für den oft geforderten Realismus fungierte eine bestimmte Vorstellung davon, wie Dialoge gestaltet sein müssen. Beklagt werde z.B. die mangelnde Wahrscheinlichkeit, mit der die Figuren argumentieren. Die vorgetragenen Gedanken entsprechen nur unvollkommen den dargestellten Charakteren. Nichtrealistische Texte legen den Schwerpunkt auf die Form, wie etwas gesagt wird. Insbesondere John Lyly und Sir Philip Sidney können als Vertreter dieses Typs von Dialoggestaltung gelten. Sie orientieren sich am hohen Stil und betonen die Rhetorizität des Textes. (230) In Euphues: The Anatomy of Wyt ist die Handlung Nebensache. Die Dialoge sind durch einen Wettstreit der Redner gekennzeichnet, durch wechselseitig vorgetragene Reden. Innere Figurenmonologe folgen ebenfalls diesem Prinzip. Die Sprachäußerung ist von der amplificatio geprägt, der inhaltlichen Erweiterung des Themas durch Beispiele aus der Natur oder der antiken Mythologie/Geschichte. Zudem werden viele rhetorische Figuren verwendet. Der sprachlichen Virtuosität entspräche die Vieldeutigkeit des Inhalts. (231) Die Verdrängung des Narrativen ist nicht unbedingt negativ zu bewerten. Aus postmoderner Perspektive fasznieren die Texte aufgrund ihrer Selbstbezüglichkeit.(232) An den gewählten Beispielen – John Grange Golden Aphroditis (1577) und Thomas Deloney The Gentle Craft (1598) – beschreibt die Autorin verschiedene stilisitische Dialogtypen, deren Grenzen allerdings fließend sind. Im hohen Stil verfasste Dialoge nehmen auf den niedrigen Stil Bezug. Plain speaking ist die Form des Fremden in diesem Diskurs. Offenes Sprechen wirkt unverständlich und gilt als Verletzung gesellschaftlicher Regeln. Ähnlich setzt sich der niedrige Stil vom hohen Stil ab. Wird er verwendet, dann um Pseudogelehrsamkeit auszudrücken. Deloney greift konstruktiv auf dieses Ausdrucksvermögen zurück, wenn er das Handwerk glorifizieren möchte. Der hohe Stil ermöglichte einen Gegenstand besondere Wertschätzung zukommen zu lassen.

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