Barish, Jonas A. “ Baroque Prose in the Theater: Ben Jonson“ in PMLA. Vol 73/ No.3
(184) Der Beitrag möchte den allgemeinen Untersuchungen zum Barockstil durch Morris W. Croll und George Williamson eine individuelle Perspektive hinzufügen. Er möchte zeigen, welche Varianten innerhalb der Bewegung möglich sind. Er beschränkt sich auf das Beispiel Ben Jonsons, den er gelegentlich von Bacon abgrenzt. Der Barockstil ist durch eine oppositionelle Haltung gegenüber ciceronianischer Syntax geprägt. Cicero und seine Nachfolger setzen den Höhepunkt eines Satzes an das Ende und zögern ihn durch Nebensätze hinaus. Dagegen meide der Barockstil komplizierte Satzkonstruktionen und bewegt sich lieber improvisiert und mit abrupten Wechseln. (185) Es lassen sich zwei Praktiken beschreiben, die Morris W. Croll mit „curt style“ und „loose style“ beschrieben hat. Der „curt style“ wird auch stile coupe oder stile serré genannt. Die Sätze dieses Stils sind durch unerwartete Wechsel gekennzeichnet. Eine Zeile besteht aus mehreren unabhängigen Phrasen, die durch Kommata oder Semikolons von einander getrennt sind. Es entsteht der Eindruck, als ob die Gedanken unmittelbar zu Papier gebracht wurden. Meistens beginnt eine Zeile mit dem Hauptgedanken, der dann näher illustriert und konkretisiert wird. Die Folge der Phrasen wird jedoch selten durch Logik bestimmt. Ihre Anordnung erscheint zufällig und Ergebnis imaginativer Verknüpfungen.
They are, what they are on the sudden; they shew presently, like Graine, that, scatter’d on the top of the ground, shoots up, but takes no root; has a yellow blade, but the eare empty. (Jonson. Discoveries 685ff.)
Die typische Zeile des „curt style“ eignet sich, durch die Unabhängigkeit der einzelnen Elemente, für rasche Gefühlswechsel, unmittelbare Kommentare oder Selbstbetrachtungen, sowie plötzliche Einwürfe oder Darstellung von sprachl. Unachtsamkeiten. Der Stil entspräche dem lebendigen Denken, so Barish. (186) Jonson verwendet diesen Stil an verschiedenen Stellen. Er benutzt die Satzkonstruktionen für witzige Wortspiele. Eine Metapher wird postuliert und dann in den Nebensätzen Schlag auf Schlag konkretisiert.
Ne’re trust me, CVPID, but you are turn’d a most acute gallant of late, the edge of my wit is cleere taken off with the fine and subtile stroke of your thin-ground tongue, you fight with too poinant a phrase, for me to deale with (Cynthias Revels)
Zudem wird der Stil als Gestaltungsmittel verwendet:
the curt period serves especially well to characterize angry or indignant, impatient or volatile, or merely distracted or simple-minded people.
Des Weiteren ist er das Kennzeichen von unruhigen (wasps) oder unverständigen (half-witted) Figuren. (187) Der „curt style“ ist keine Kopie der Alltagssprachem sondern von dem Ziel geprägt, Denken und Ausdruck in Übereinstimmung zu bringen.
By borrowing freely from colloquial speech, Jonson effected a kind of merger between it and his own Stoic models, and in so doing managed to combine the vitality of live language with the authority and expressive potency of a formed rhetoric.
„Asymmetrie“ ist ein weiterer, damit verbundener Begriff, mit dem sich Jonsons Prosa beschreiben lässt. Jonson bricht häufig mit den Erwartung an die Syntax. (188 ) An vielen Stellen, an denen er symmetrische Satzkonstruktionen verwendet, geschieht es in satirischer Absicht. Die dargestellte Figur erscheint so als affektiert. (189 ) Es ist typisch für den Barock, dass sie die Zwänge von Rhythmus oder Symmetrie nicht erfüllen wollen.
Where he arouses expectations of symmetry, it is usually for the purpose of violating it. When an implied symmetrical pattern is perpetually being disturbed and thwarted by small changes in form, we have the phenomenon of symmetry clashing with asymmetry which is at the heart of baroque stylistic practice …
(190) Der „loose style“ bevorzugt im Unterschied dazu Verbindungen zwischen den Sätzen und längere Bedeutungseinheiten. Er beschränkt sich allerdings auf „and“ und „or“ als Konjunktionen, so dass die Beziehung zwischen einzelnen Sätzen nicht explizit wird. Für Nebensätze ergibt sich der Eindruck, dass sie gleichgeordnet sind. Weitere Eigenheiten des Stils sind Klammern, mit denen der Schreib – oder Redefluss unterbrochen wird. (191) Für Ben Jonson ergibt sich aus diesen stylistischen Untersuchungen ein Paradox, weil er theoretisch viel Wert auf die sorgfältige Konstruktion von Dichtung legt, aber im Erscheinungsbild Improvisation praktiziert. (192) Für beide Stilunterarten finden sich unterschiedliche Einsatzgebiete. Der „curt style“ wird vorwiegend für den Ausdruck von Gefühlen und Intensität verwendet. Der „loose style“ ist typisch für Deklamationen oder Monologe. Der Beitrag wendet sich nun vom Nachweis barocker Stilelemente, wie sie von Croll und Williamson beschrieben worden sind, ab. Barish will nun die Eigenständigkeit von Jonson in den Blick nehmen. Häufig bricht Jonson mit den Erwartungen an die Ordnung von Wörtern und Phrasen. Dadurch werden Textteile besonders betont. Erstens isoliert und entfernt er sprachliche Einheiten aus ihren gewohnten Zusammenhängen und erzeugt dadurch Rhythmik. Die Spannung, die so zwischen Syntax und Rhythmus entsteht, könne als typischer Effekt barocker Dichtung gelten und als Form der Asymmetrie. (193) Zweitens werden Phrasen zwischen Relativpronomen und Bezugswort geschoben. Das Verfahren ahmt möglicherweise eine Eigenart lateinischer Dichtkunst nach, entspricht aber auch der Umgangssprache, die selten Rücksicht auf logische Satzbeziehungen nimmt. Drittens werden grammatische Elemente ausgelassen.
His modesty, like a riding Coat, the more it is worne, is the lesse car’d for (Discoveries 1328-29).
Die Antithese wird gebrochen und unvollständig ausgeführt. Viertens parallelisiert Jonson Elemente, aber verweigert sich der Symmetrie, indem er sie grammatikalisch nicht angleicht oder inkongruente Elemente parallelisiert.
to taste all by degrees, and with change. (Disc. 1654-55)
Typisch sind auch, bei der Aneinanderreihung mehrer Teilsätze, wechselnde Subjekte. Barish schließt die Detailanalysen mit einem Vergleich von Barockstil und „Euphuismus“, mit Blick auf Malerei ab. Er hebt noch einmal hervor, dass für Jonson Irregularität ein Programm ist.